Im Gespräch mit XO Henning
Die Zukunft gehört den Visionären –
wo siehst du dich, XO Henning?
Ein Besuch im Universum eines Künstlers, der seine eigenen Regeln schreibt.
©MARIE PIETRUSCHKA
Wer in den letzten Monaten ein bisschen zu lang vor einem schwebenden Astronautenbild stehen geblieben ist, ist womöglich schon in das Universum von XO Henning eingetaucht – und kam nicht ganz zurück. Denn Henning ist mehr als ein Künstlername. XO ist ein Gefühl, eine Welt, ein Zustand, irgendwo zwischen Verliebtheit, Schwerelosigkeit und Neonfolie. Und: eine bewusste Einladung zum Andersdenken.
„Wenn die Zukunft den Visionären gehört, dann bin ich sehr weit vorne“, sagt XO Henning zu Beginn unseres Gesprächs.
Und das ist nicht etwa überheblich gemeint – sondern glasklarer Ausdruck seines Selbstverständnisses als jemand, der keine Grenzen akzeptiert, außer die des eigenen Kopfes. Ein Gespräch über Kunst, Humor, Raum, Materialität – und darüber, warum man manchmal einfach machen muss.
Die XO-Energie
„Ich mache einfach“, sagt er – und lacht.
Und ja, das spürt man. Seine Werke tragen diese Art von Energie, die nicht durchdacht, sondern durchlebt ist. Keine Künstlichkeit, kein intellektuelles Korsett. Stattdessen: Technofoil, Neon, Spiegel, rohe Baumwolle, Durchstreichungen, Reime – echte Emotion auf Leinwand.
„Ich will keine klare Botschaft. Ich will eine Reaktion. Wenn Leute sagen: 'Ja, ist okay' – dann war ich nicht gut genug.“
Sein kreativer Prozess? Intuition statt Strategie. „Nachdenken ist erlaubt – aber erst, wenn die Farbe trocknet.“ Oft arbeitet Henning an mehreren Bildern gleichzeitig, nicht zuletzt aus Bequemlichkeit. „Wenn die Farbe in der Airbrush drin ist, sprüh ich sie lieber fertig, bevor ich wechsle.“
Astronauten, Emotionen & andere Sphären
„Ich male keine Landschaften. Ich male Welten. Mein Universum. Das XO-Universum.“
Die Frage, wann XO Henning gespürt hat, dass er diese Vision erschaffen möchte, beantwortet sich nicht in einem Schlüsselmoment – sondern in vielen. „Es war ein langsames Reinwachsen. Ein Prozess. Erst kam der Spaß, dann die Resonanz, dann der Beruf.“
Seine Astronautenbilder – halb futuristisch, halb poetisch – sind das beste Beispiel dafür. Sie schweben, lösen etwas aus, wirken wie eingefrorene Filmszenen. Und doch: „Ich bin gar kein großer Filmfreund. Ich hab nicht mal Lieblingsregisseure.“ Stattdessen sind es Künstler wie Jürgen Teller, Andreas Gursky und Virgil Abloh, die seine Ästhetik geprägt haben.
Auch Musik fließt in seine Arbeit: „Ich höre Rap und elektronische Musik beim Malen – manchmal landen Songzeilen direkt auf dem Bild.“
“ Forever, forever, ever, forever, ever ?” – ein OutKast-Zitat, das sich über ein ganzes Bild zieht.”
© TOM VON BELOW
Ein eigenes Universum
Für XO Henning ist es essenziell, dass seine Kunst unverwechselbar ist. Nicht aus strategischen Gründen, sondern aus dem inneren Antrieb heraus, etwas zu schaffen, das es so noch nicht gibt – aber fehlt. Seine Werke wirken auf den ersten Blick spielerisch und leicht, doch in Farben, Formen und Texten verstecken sich oft mehrere Ebenen. Diese Mischung aus Zugänglichkeit und Tiefe ist für ihn das Spannende.
Zwei Symbole prägen seine kreative Reise: In seiner Agentur Paradise Studio steht die Palme für das irdische Paradies. Doch in der Kunst reichte ihm das irgendwann nicht mehr – der Ringplanet wurde zu seinem neuen Leitmotiv. Ein Symbol für den Wunsch, eigene Welten zu schaffen.
Henning denkt Kunst über die Leinwand hinaus. Für ihn dürfen Werke laut sein, groß, irritierend. Technofoil, Astronauten, Basketballbälle – alles kann Teil seiner Bildsprache werden. Dass diese Form von Kunst nicht immer sofort verstanden wird, sieht er als Teil des Prozesses. Deshalb bringt er seine Arbeiten bewusst an Orte, an denen man nicht mit Kunst rechnet – um neue Zugänge zu schaffen, neue Gedankenräume zu öffnen.
Diese Freiheit kennt er aus der Werbung nicht. In seiner Arbeit als Werbefilmer müsse am Ende eine klare Botschaft vermittelt werden – das Produkt solle überzeugen, begehrlich sein. „In der Werbung geht’s immer darum, dass man am Ende das Gefühl hat: Das will ich haben“, sagt Henning. In seiner Kunst sei das anders. Da gehe es nicht um eine eindeutige Aussage, sondern um eine Reaktion. Welche das sei, wolle er gar nicht vorgeben. Oft seien es Gefühle von Leichtigkeit, Inspiration oder Verliebtheit – ein Zustand, in dem man eher durch den Raum flattert als läuft.
Seine Werke versteht er als Einladung zur Interaktion. Ein schwebender Astronaut im Raum muss keine Botschaft transportieren, er kann einfach da sein – und das reicht. Die Reaktion darauf ist das Entscheidende. „Ich mag diese Spielzeit total – wenn Leute nicht wissen, ob sie ein Werk anfassen dürfen, wenn sie stehen bleiben, sich bewegen, nachdenken. Das treibt mich an.“
Was seine Arbeit in Film und Kunst verbindet, ist der Text. Ob als Claim, als Zeile oder Reim – am Ende komme es immer auf die Geschichte an. Und genau diese Geschichten erzählt er – manchmal laut, manchmal leise, aber immer auf seine Weise.
Leichtigkeit als Botschaft
„Ich will eigentlich nie arbeiten“, sagt er mit einem Grinsen aber meint das nicht faul, sondern frei. Seit 2005 ist er selbstständig – als DJ, Filmemacher, jetzt Künstler. „Die Tätigkeiten, mit denen ich heute Geld verdiene, fühlen sich selten nach Arbeit an. Das war immer mein Ziel: Dinge tun, die Spaß machen.“ Vor rund vier Jahren hat er das Malen für sich entdeckt. Daraus wurden schnell Objekte, Installationen, Bildräume. Und plötzlich war sie da: die Erkenntnis, dass genau diese kreative Freiheit schon immer sein Antrieb war. „Diese Leichtigkeit, die ich auch sonst im Leben spüre, kann ich durch die Kunst mit anderen teilen. Und das ist für mich das Schönste daran.“ Dass seine Arbeiten manchmal als kindlich wahrgenommen werden, stört ihn nicht – im Gegenteil. „Ich habe selbst drei Kinder – wir malen manchmal um die Wette. Und man erkennt natürlich, welches Bild von einem Kind stammt und welches von mir. Aber gerade diese bewusste Reduktion finde ich spannend.” Für ihn sei es eine Herausforderung, Motive so weit herunterzubrechen, dass sie trotzdem funktionieren und erkennbar bleiben.
Humor ist für XO Henning kein Beiwerk, sondern Haltung. Ob in Form von „meme-like Punchlines“ auf seinen Bildern oder in Brainstormingprozessen – Humor ist für Henning ein Katalysator. „Humor ist die unterschätzte Geheimwaffe. Er nimmt den Druck raus. Und bringt uns auf die besten Ideen.“
Auch seine Botschaften sind oft radikal optimistisch. Auf einem Bild steht: „Die Zukunft ist toll.“ Viele fragen dann: „In welcher Welt lebst du?“ – „In der XO-Welt“, antwortet Henning. Eine Welt voller Farbe, Mut und Utopie.
Zuhause & Vision
XO Henning lebt zwischen Hamburg und der Ostsee. Sein Studio: ein Hausboot – Konferenzraum, Atelier, Wohnzimmer in einem. Sein Zuhause: funktional. Sein Traum: ein zweistöckiger Bungalow mit Atelier, Sichtbeton, Holz, DJ-Set und Blick aufs Meer. „Zuhause ist für mich kein Ort – es ist ein Gefühl. Ich kann mich überall heimisch fühlen.“
Und wie wäre es, in einem seiner Kunstwerke aufzuwachen? „Es riecht nach Frühlingsregen, es ist warm, nicht heiß. Es gibt Seen, Berge, Licht, Musik. Und überall XO-Nauten. Man floatet einfach durch diese Welt.“
Selbstvermarktung, aber mit Seele
NFTs? Nein danke. „Ich habe welche gekauft, aber für meine Kunst passt das nicht. Meine Bilder muss man echt erleben – mit Material, Licht, Spiegelung.“ TikTok? Schwierig. Instagram? Funktioniert. Aber am besten, sagt er, bleiben Ausstellungen. “Ich will Kunst machen, nicht Videos. Es muss nicht zu allem ein Making-of geben.“
Der beste Ratschlag, den er je bekommen hat? „Keiner. Ich geb lieber selbst welche: Bleib dran. Folge deiner Intuition. Denk nicht in Raketenstarts – denk in Pflanzen. Lass sie Wurzeln schlagen.”
© LEONIE ALMA
Ausblick & Neugier
XO Henning ist nie fertig. Er möchte mit Chrom, Stein, Spiegeln, vielleicht auch 3D-Druck experimentieren. Vor allem aber: Installationen, Raumkunst, groß denken.
„Ich will keine Replikate. Kein Bild wird je gleich aussehen. Das ist das Besondere – das Unikat. Das XO-Original.“
Und das spürt man. In jedem Werk. In jeder Antwort. In jeder Begegnung.
„XO ist XO. Und das wird sich nie ändern.“
© TOM VON BELOW
© TOM VON BELOW
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